OX-Fanzine Issue #69 and #70
Interviewed by Michel Grimminger

1980 gründete Rudi Protrudi in New York die FUZZTONES, benannte die Band nach einem Gitarren-Effektgerät namens FuzzTone, das die ROLLING STONES 1965 mit "Satisfaction" bekannt gemacht hatten. 1984 erschien mit "Lysergic Emanations" ihr bis heute wichtigstes Album, eine Ehrerbietung an die über zwanzig Jahre früher im Nordwesten der USA aktiven SONICS, mit "Strychnine" und "Cinderella" werden gleich zwei von deren Songs gecovert, die von den markanten Vox-Orgel-Sounds dominiert werden. Nur wenige Jahre später sind die vor allem auch in Europa beliebten FUZZTONES wieder am Ende, Frontmann Rudi oft in Europa unterwegs, doch es kommt immer wieder zu Reunions in verschiedenen Besetzungen - bis heute. Und so stellten wir Rudi ein paar Fragen zu damals und heute. Teil 1 des Inteviews jetzt, Teil 2 in Ox #70.

THE FUZZTONES wurden 1980 gegründet, weshalb?

Deb O'Nair und ich zogen 1976 von Pennsylvania nach NYC mit unserer Bubblegum-Punk-Gruppe TINA PEEL. Diese war maßgeblich beeinflusst von Gruppen aus den 60ern, wie CRYAN' SHAMES, DAVE CLARK FIVE und 1910 FRUITGUM COMPANY. Bald konnten wir uns einen guten Namen machen und spielten als Haupt-Act in angesagten Clubs wie dem Ritz, CBGB, Irving Plaza und Hurrah. Aber so mit Beginn des neuen Jahrzehnts hatte die Band alles erreicht, was wir wollten und konnten ... Wir lebten dort in Alphabet City an der Lower East Side in Manhattan: eine sehr rauhe Ecke! Für uns war es sehr schwierig, das unschuldige Jugendlichen-Image, das TINA PEEL ausstrahlte, zu erhalten, irgendwann unmöglich. Unsere musikalischen Vorlieben passten sich unseren Umständen an und wurden etwas härter, aber immer noch rein "Retro". So kam ich wieder zur Garage-Musik zurück, mit der ich Ende der 60er Jahre aufwuchs. Zuerst spielten THE FUZZTONES dann als Vorprogramm von TINA PEEL, das bot sich ja an. Uns war es auch gleich, ob uns jemand mochte oder nicht ... Aus Liebe zu dieser Musik spielten wir erst mal obskure Garagen-Coversongs. Zu unserer großen Überraschung kamen wir aber bald besser an als unsere Erst-Band TINA PEEL. Also lösten wir sie kurzerhand auf und bündelten unsere Anstrengungen in THE FUZZTONES.

Wie war denn die Musikszene in NYC zu der Zeit?

Die Szene damals war gerade dabei, sich als New Wave zu manifestieren, also ungefähr das, was TINA PEEL am Anfang machte, aber das große Ding war Punk. Wir waren also etwas unserer Zeit voraus, denn wir stellten schnell fest, dass es keinen Markt für Garage gab. Die ersten zwei Jahre war sehr schwierig: manchmal spielten wir in tollen Clubs und kassierten 1.000 Dollar und am nächsten Abend, an einem Montag im Great Gildersleeves, bekamen wir fünf Dollar - die wir durch vier teilten. Erst so um 1983 entstand so was wie eine Garageszene in NYC, als Jon Weiss von THE VIPERS eine "Psychedelische Nacht" in der Peppermint Lounge veranstaltete und dafür THE CHESTERFIELD KINGS aus Rochester buchte. Ihr Auftritt weckte das Interesse an Garage-Musik in NYC und war der Beginn der Szene hier an der Ostküste.

Wie kam dann das mit den ganzen Knochen und schwarzen Haaren, anstatt grüner Haare und lila Hosen?

Als wir uns entschieden hatten, THE FUZZTONES zu sein, wollte ich auch ausdrücken, dass wir uns tatsächlich verändert hatten: also keine bunten Op-Art-Klamotten und keine lustigen Melodien mehr! In der Gegend, in der wir lebten, sahen wir Morde, Einbrüche und Vergewaltigungen. Unser Aussehen sollte dies widerspiegeln und schwarze Klamotten verdeutlichen das perfekt. Auch die Knochen waren eine sehr bewusste Aussage: Grundsätzlich verbildlichen sie eine Rückkehr zum "Primitiven" und die ersten paar Jahre trugen wir nur menschliche Knochen, die du bestimmt nicht im Laden an der Ecke kaufen kannst! Später, nachdem wir diese entweder verloren haben oder sie gestohlen wurden, wechselten wir zu Hunde- und Katzenknochen. Aber, um das klar zustellen, wir haben nie einem Hund oder einer Katze etwas angetan! Ich liebe Tiere.

Trotzdem eure Haltung und Ernsthaftigkeit ziemlich dem damaligen Trend entrückt war, beeinflusste er doch viele Musiker/Bands von Grunge bis Garage und hin zu all den neuen "The"-Bands, die heute gehypet werden.

Ich bin stolz, einflussreich gewesen zu sein, aber es wäre schön, wenn die Medien, die Presse oder nur die Bands, die wir beeinflussten, uns mehr würdigen würden. Zum Beispiel frage ich mich, wie viele Leute wissen, dass das RAMONES-Album "Acid Eaters" ohne uns nie hätte entstehen können. Marky Ramone war damals für zwei Wochen bei den FUZZTONES und liebte, was wir machten. Nachdem er zu den RAMONES zurückkehrte, brachten sie wenig später dieses Album raus - zufälligerweise mit der Hälfte der Songs darin, die wir mit Marky spielten. Außerdem "liehen" sie sich auch einige Szenen aus unserem Video "Ward 81" und bauten sie direkt in ihr "Psychotherapy"-Video ein. Selbst der Kinofilm "Velvet Goldmine" kopierte einige unserer Szenen. THE HOODOO GURUS kopierten unser Aussehen und überarbeiteten für "ihr" Logo auf einem Plattencover das von uns. Genauso wie die DWARVES ihr Logo von unserem stahlen, das ist nämlich das von "Lysergic Ejaculations". Und jetzt dieses neue "große Ding", genannt THE HORRORS ... ein Blick genügt, um zu wissen, wer ihr Haupteinfluss war. Wir waren die erste Gruppe, die Vox Phantom-Gitarren zurück auf die Bühne brachten. Und heutzutage haben alle diese Gitarren, um Garage zu spielen. Ich habe EC-Horror-Comics und den Ed Roth-Stil in die Kunst der Garageszene eingeführt - heute siehst du es überall, es wurde gleichsam ein Synonym für die Bewegung! Versteh mich nicht falsch, denn wie ich sagte: Ich bin stolz. Aber ich würde es mir mal wünschen, wenn diese Typen uns mal erwähnen würden, irgendwann.

Rudi, machen wir mal einen Sprung ins Jetzt. Eure neueste Scheibe zollt einer einst nur lokal bekannten Gruppe der 60er, den SONICS, Tribut. Die hast du ja auch bekannt gemacht ...

THE SONICS waren in den 60ern wirklich nahezu unbekannt und eigentlich nur im Nordwesten der Staaten aktiv. Und wir haben sie dem Publikum in den 80ern durch unser Album "Lysergic Emanations" zugänglich gemacht! "Cinderella" und "Strychnine" sind bis heute die Songs, die sich die Leute von uns am meisten wünschen, also dachten wir, es wäre an der Zeit, diese Band zu würdigen, insgesamt haben wir ja und auch schon fünf Songs von ihnen aufgenommen. Um etwas Exklusives und Rundes daraus zu machen, nahmen wir dann noch mit "Caught you red handed" einen neuen Song auf. Es wird behauptet, er stamme von einer Band namens JOLLY GREEN GIANTS, die aber niemand kennt. Ich war immer hundertprozentig davon überzeugt, dass es die SONICS sind, unter einem anderen Namen! Alles hört sich eben genau nach ihnen an: der Text und Gesang, Instrumentierung, alles.

Ja, der neue Song ist eine echter Knaller, besonders wegen des Saxofons, wie kamt ihr darauf?

Ich hatte die Idee, mal etwas Neues auszuprobieren und die SONICS verwendeten ja auch ein Saxofon, also fragten wir Mark Lindsay von der Gruppe PAUL REVERE & THE RAIDERS, ob er Lust hätte, dafür Saxofon zu spielen - auch weil die RAIDERS eine große Nummer in den 60ern im Nordwesten waren. Obwohl Mark eigentlich nur als Sänger der RAIDERS bekannt ist, ist er doch ein klasse Saxofonspieler, dessen Stil absolut zum SONICS-Stil und diesem Song passt - und die RAIDERS sind und bleiben eine meiner Lieblingsbands!

Du lebst ja zurzeit in Berlin, wo liegen für dich die Unterschiede?

Ursprünglich komme ich ja aus Pennsylvania, ein Teil der Staaten, der sehr rückständig ist. Da gibt es viele Reaktionäre und Rechte, was es für langhaarige Rockmusiker etwas schwierig macht - jetzt und erst recht früher! In Bars kannst du nur spielen, wenn du Coversongs spielst. Also keine Umgebung, um kreativ zu sein. Und in Europa wollte ich schon immer leben. Als sich die Gelegenheit ergab, zog ich nach Berlin, weg aus Kalifornien - und aus Bushs Regimebereich. Für Bands und speziell für uns gibt es hier einfach mehr Möglichkeiten - wir haben ein neues, sehr gutes Line-up mit prima Musikern und hier bin ich jetzt ganz guter Dinge!

Was sind eure nächsten Pläne?

Möglicherweise das weitermachen, was ich tue. Nur wenn ich Musik mache, fühle ich mich frei und dann geht es mir gut! Es gibt immer noch ein paar wahre Rock'n'Roll-Bands wie die NEW YORK DOLLS oder THE STOOGES. Die "alten" Jungs eben, die noch was erlebt und was zu sagen haben. Die haben aus der Musikgeschichte gelernt und können deshalb den jungen Ärschen immer noch was vorrocken! Deshalb braucht es noch Bands wie uns heutzutage.






Italy's major Rock Magazine features The Fuzztones
Thanks to writer Massimo del Pozzo!



Tagesspiegel - Peter Pan plays Guitar (in german)